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Hanns-Albert Schroll
Busfahrer
Mailinterview
28.05.2020
Wenn ihr gerade darüber nachdenkt, zu welcher Band dieser Hanns-Albert gehört – grübeln einstellen, er ist kein Musiker! Mit diesem Interview startet eine Serie, die wir schon lange angehen wollten. Jetzt nutzen wir die konzertlose Zeit und legen los. Wir unterhalten uns mit Leuten, ohne die die Musiker im Studio und auf Tour etwas aufgeschmissen wären. :-)
Wir haben Hanns-Albert nach dem Motto „Saarländer trifft man überall“ im MS Connexion Complex in Mannheim kennengelernt. Er ist Busfahrer, zuletzt beim Busunternehmen Karl-Heinz Dott in Mayen und schaukelte dunnemals die Herren von Manimal, Dynazty und Bloodbound durch die Botanik. Hanns-Albert hatte uns babbeln gehört und somit vertraute Laute vernommen, die ein Saarländer auch nach einem Umzug nie vergisst.
Tach ach, mein Gudda! Zuerst sage ich vielen Dank, dass Du Dich unseren Fragen widmen wirst.
Seid wie vielen Jahren bist Du schon als Busfahrer auf den Straßen Europas unterwegs?
Ich habe den Busführerschein seit 1981 und bin seit 1991 als Tourneebusfahrer unterwegs. Zehn Jahre nur Ausflüge und Wochenenden, anschließend bei Alfredo im Tourbereich.
Wenn Du Bands von Ort zu Ort fährst, ist das eindeutig kein acht Stunden Job und es gibt keine zeitlich abgegrenzten Schichten. Kannst Du uns bitte Deinen Tages- und Nachtablauf auf Tour schildern?
Da wird von vielen Seiten aus darauf geachtet. z. B. Tourneeleitung, Busunternehmen und Gesetzgeber. Daher besteht kaum eine Chance, die Fahrzeiten bzw.- die Ruhezeiten zu unter- oder überschreiten. Natürlich werden die Toleranzen ausgenutzt.
Ich schildere den Tag während einer normalen Tournee. Normal heißt: Gehen wir mal davon aus, die Tournee ist bereits einige Tage am Laufen und es hat sich alles eingespielt. Dann sieht der Alltag eines Busfahrers im Grunde genommen so aus: Start ist immer nach der Show, nach dem Abbau und wenn alle im Bus sind. Meistens beläuft sich das so zwischen 1 und 2 Uhr nachts, kann auch mal 3 Uhr werden, je nachdem, denn das Ganze ist individuell gestaltet, daher kann es durchaus auch zu Verzögerungen kommen. Sehr häufig sind die Strecken in einer Nacht zu bewältigen, respektive dürfen wir in der Halbschicht nur viereinhalb Stunden fahren, dann müssen wir 45 Minuten Pause machen und danach nochmals viereinhalb Stunden fahren. Im Grunde genommen ergibt das eine reine Fahrzeit von jeweils neun Stunden pro Tag. Das heißt, man ist inklusive der Pause nach zehn Stunden spätestens gegen Mittag an dem entsprechenden neuen Veranstaltungsort. Der Busfahrer hat dann die Aufgabe, Strom anzuschließen und den Bus, sobald die Gäste draußen sind, soweit wie es nur möglich ist zu reinigen.
Anschließend nutzt man die Duschen und sonstige sanitäre Möglichkeiten, die es entweder bei der Crew oder aber in den Künstlergarderoben gibt. In der Zwischenzeit hat das Catering oder das Venue auch ein kleines Frühstück gereicht, das man dann zu sich nimmt. Nach Erledigung all dieser Sachen kann man als Fahrer schlafen gehen. Man schläft so lange es eben möglich ist, bis in den späten Nachmittag, frühen Abend hinein. Man hat im Grunde genommen mit dem Aufbau und den ganzen Sachen nichts zu tun, weil man ja definitiv schlafen muss. Es sei denn, man hat noch eine zweite Aufgabe, eben viele kleine Hilfsarbeiten, die man dann gerne macht. Bei mir ist es das Catering und ich helfe beim Zubereiten des Essens, das meistens kurz vor der Show serviert wird. Dann ist wieder aufräumen, sauber machen usw. angesagt, der Bus muss auf jeden Fall gepflegt werden und wenn irgendwo die Möglichkeit besteht, die Toilette abzulassen, wird das ebenfalls erledigt. Meistens ist es nicht möglich, dann muss man unterwegs eine Stelle finden, wo es erlaubt ist. Am Venue versucht man natürlich auch, die Wasservorräte aufzufrischen, man bringt Getränke und falls es in irgendeiner Art und Weise Sandwiches oder Ähnliches gibt, in den Bus oder verteilt sie eben so, wie es die Gäste wünschen. Dann legt man sich nochmal hin oder schaut die Gigs und nach der Show geht es wieder weiter.
Das ist ein recht arbeitsreicher Tag mit Unterbrechungen, die man eben nutzen kann, um zu schlafen. Die Leute im Bus achten sehr darauf, dass man als Busfahrer zum Schlafen kommt, ebenso wie das Tourmanagement. Folge von der ganzen Geschichte ist, dass man unter permanenter Beobachtung steht. Alkoholgenuss und Ähnliches ist während dieser Zeit wirklich schlicht und ergreifend nicht möglich, respektive auch untersagt.
Da meine Schlafenszeiten in den letzten 29 Jahren etwas anders waren, fällt es mir in einem sogenannten „normalen Lebensumstand“ unglaublich schwer, tagsüber vollkommen wach zu bleiben, weil das ja immer meine Schlafenszeiten waren und nachts bin ich dann glockenhell wach. Gott sei Dank gibt es Fernsehen :-) und die Nachtprogramme sind auch weniger mit Werbung geclustert. Nichts desto trotz fällt es mir auf jeden Fall sehr schwer, mich auf den Rhythmus einzustellen. Selbst wenn ich es mit Gewalt versuche, mal tagsüber komplett aktiv zu sein und nachts zu schlafen, gelingt mir das nicht immer.
Was war - in Kilometern - die bislang weiteste Strecke, die Du von einem Konzert zum nächsten zurückgelegt hast?
Von Manchester nach Madrid, 2.800 Kilometer in 36 Stunden, mit zweitem Fahrer. Landweg nach Dover - Calais - Bilbao - Madrid.
Das Wetter, Staus, der Zoll und Probleme mit dem Fahrzeug dürften die größten Feinde des pünktlichen Eintreffens am nächsten Auftrittsort sein. Hast Du schon mal so festgesteckt, dass zu guter Letzt der Gig abgesagt werden musste?
Zum Glück nicht, zwar schon öfter auf den „letzten Drücker“, aber noch keinen Gig verpasst. Sorry, doch einmal, aber durch Verschulden dreier Mitreisender, die verbotene Dinge von Schweden nach Norwegen einführen wollten, wodurch sich der Grenzaufenthalt über sieben Stunden verzögerte.
Bist Du bislang von Unfällen verschont geblieben?
Nein, leider nicht, allerdings nur Blechschäden.
Welche Maße in Sachen Länge, Breite, Höhe hat eigentlich so ein Nightliner, wie ist er innen aufgebaut und ausgestattet? Bei Busfahrten waren immer die Toiletten mein persönlicher Feind.*lacht* Gibt es in den Nightlinern 3XL-Luxusversionen des stillen Örtchens samt XXL-Dusche?
Länge 14 Meter, Höhe 4 Meter, Breite 2,55 Meter - Außenmaße. Innenausstattungen sind so individuell wie die Kunden und die Unternehmen, so vielfältig und variantenreich, dass wir uns noch mindestens eine Stunde darüber reden könnten. Standard innen ist eine bessere Küche, Loungebereich und Bettenbereich, für jedes Bett auch ein Sitzplatz. Alles Andere auf Bestellung und nach individuellen Vorlieben. Natürlich mehrere Kühlschränke, bessere Toilette usw. Es gibt vielerlei Variationen, mit oder ohne Dusche. Meist sind die Toiletten zumindest größer als im Reisebus. Im Nightliner gibt es die erste Tabu-Regel: Niemand kackt im Bus!
Nicht jeder Mensch ist gleich und Du hast sicherlich verschiedenste Erfahrungen mit Deinen musizierenden Mitreisenden gemacht. Wer war besonders nett und freundlich, mit wem hattest Du intensive Gespräche, welcher Spaßvogel brachte Dich zum Lachen?
Zu den Nettesten im Bus gehörten neben internationalen Stars wie Joe Cocker auch Lemmy Kilmister, Alanis Morissette, Rea Garvey, die Paddyhats, Null Positiv, Bloodsucking Zombies From Outer Space, inzwischen so viele... und ich kann wirklich mit Stolz sagen, dass ich mit einigen noch immer befreundet bin. Oft waren es die sogenannten Supports, die besonders freundlich waren.
Gab es auch die Sorte Zeitgenossen, bei denen Du den Einsatz bei einer weiteren Tournee dankend abgelehnt hättest?
Die einzige Person, bei der ich mit Sicherheit ablehne, sie zu fahren, ist ein weiblicher „Star“, der so zickig ist, dass es mich graust.
Was waren die verrücktesten, ausgefallensten Ansprüche bzw. Aktionen der Musiker auf der Reise und gab es darunter welche, die Du alles andere als prickelnd empfunden hast?
John Mayall hat mir das Sprechen im Bus verboten, am nächsten Morgen hatte er einen anderen Fahrer. Ansonsten gewöhnt man sich an alles. Bauliche Ansprüche werden im Voraus mit dem Busunternehmen geklärt, Fahrzeiten mit dem Tourmanagement, manchmal wurden auch Busse getauscht.
Falls einige unser Leser Fans einer gewissen Sendung im TV sind, kennen sie Deine Chefin, richtig? Klär uns bitte auf, um welche Serie es sich handelt. ;-)
„Bus Babes“ bei Kabel 1: Julia, die Liebenswerte mit dem schnellen Mundwerk.
Die Covid 19 Pandemie hat die Musikszene komplett lahmgelegt, ebenso Busfahrten in den Urlaub oder zu Wochenendausflügen. Wie schaut es bei Deinem Arbeitgeber aus, haben sie Unterstützung erhalten, wurden Fahrer entlassen oder seid ihr in Kurzarbeit?
Bei uns sind leider alle Busse stillgelegt und die Fahrer entlassen.
Du hast nun mehr Zeit für Hobbys, eins davon: Du schreibst Bücher, nicht über Deinen Job, sondern über etwas völlig Anderes. Stellst Du uns Deine Werke bitte vor ?
Meine noch aktuellen Bücher sind: „Meine Lieblingsrezepte mit Spargel“, erschienen im Hölker Verlag, Münster. Der Kriminalroman heißt: „Der Zufallsmörder“, erschienen beim Esch Verlag, Potsdam. Das letzte veröffentlichte Buch ist ein Senfkochbuch und heißt: „Gib deinen Senf dazu!“, beim Regionalia Verlag, Rheinbach.
Wird es in absehbarer Zeit ein weiteres Buch geben und wenn ja, um was wird es sich drehen?
Das nächste Buch heißt „Tagträumer" und ist eine Novelle mit autobiographischen Zügen. Die Veröffentlichung wird wohl erst 2021 erfolgen.
Auf welche Musikstile stehst Du eigentlich, wer sind Deine Favoriten, was läuft momentan so alles in Deinem CD- oder MP3 Player?
Bin musikmäßig ein wenig Old School, in der Vergangenheit hängen geblieben und mag eben alte Platten.
Möchtest Du diesem Interview noch etwas hinzufügen?
Ja und zwar an meinen Dank an dich.
Merci für Deine Zeit. Wir wünschen Dir nur das Beste und allzeit gute Fahrt!
Foto: ©2019 by Marion Ney
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